Hardliner sind im Hundetraining wieder en vogue. In Social Media sammeln sie viele Likes für klare Ansagen in ihren Videos und suggerieren, dass jede:r es mit ihrer Methode schaffen kann.

Warum ist das so erfolgreich? 

Weil wir uns manchmal einen Ausknopf für Probleme wünschen und das ist so menschlich.

Was ist das Problem dabei?

Ein Verhaltensabbruch hat sehr viel damit zu tun, wie die Mensch-Hund Beziehung aufgestellt ist. Und damit, wie ich als Mensch ticke im Umgang mit meinem Hund. Gerade bei Verhalten, dass wir als problematisch empfinden, muss das gesamte System Mensch-Hund betrachtet werden. Ich muss mir als Mensch dafür zwei Fragen stellen:

1. Bin ich bereit, einen Verhaltensabbruch so einzufordern, dass mein Hund ihn versteht und sein Verhalten auch wirklich abbricht? 

2. Kann mein Hund es leisten, sein Verhalten zu unterlassen? 

Zu 1.

Einen Verhaltensabbruch kann ich zum Beispiel so trainieren, dass ich der Situation etwas Unangenehmes hinzufüge, so dass der Hund sein Verhalten zukünftig nicht mehr zeigen wird. Damit dieses Training erfolgreich ist, müssen folgende Kriterien erfüllt werden:

  • die Intensität der Einwirkung muss stimmen, damit es für den Hund unangenehm ist
  • das Timing muss stimmen, damit der Hund es in den richtigen Zusammenhang bringen kann
  • die Strafe muss jedes Mal erfolgen, wenn das Verhalten gezeigt wird und im Optimalfall gleich beim ersten Mal, wenn das Verhalten auftritt

Wenn du jetzt mal an Situationen denkst, in denen du deinem Hund kommuniziert hast, etwas nicht zu tun – wie erfolgreich war das? Was wärest du bereit zu tun, damit es erfolgreich wird? Wo ist da deine Grenze?

Diese Fragen muss jede:r, der fair mit seinem Hund trainieren möchte, für sich beantworten, bevor es ans Training geht.

Was sehe ich in meiner Arbeit? Ich sehe oft Verhalten, das halbherzig abgebrochen wird. Und ich sehe Menschen, die nicht bereit sind, das zu tun, was der Hund hier bräuchte, damit er ein Verhalten unterlässt. Und soll ich dir was sagen, das ist vollkommen OK für mich!

Denn viel wichtiger als ein Verhaltensabbruch ist all das, was im System Mensch-Hund aufgeräumt werden muss, bevor ich überhaupt an einen situativen Verhaltensabbruch denke. Und manchmal erledigt sich dann das Problem gleich mit. Doch dazu gleich noch mehr…

Zu 2.

Am Anfang steht immer die Frage: Kann mein Hund das leisten? Ich muss meinen Hund sehr gut kennen, ihn gut lesen können, bevor ich das situativ richtig einschätzen kann. Denn es geht beim Verhaltensabbruch nie darum, den Hund so einzuschüchtern, dass er nichts mehr macht. Es geht darum, dass er versteht, dass das Verhalten nicht erwünscht ist und gleichzeitig, dass er in der Lage ist, für sich eine andere Lösung zu finden. Wenn das erfüllt ist, wird der Hund nach einem Verhaltensabbruch auch wieder entspannt mit dir weiterziehen.

Was ist, wenn mein Hund es nicht leisten kann? Dann gibt es Lernschritte vorab, die erstmal gemacht werden müssen. Im Training begegnet uns das ganz oft beim Thema Hundebegegnungen:

Wenn ein Hund angesichts anderer Hunde in die Leine steigt, bellt und das Erregungslevel sehr hoch ist, ist der Zeitpunkt für einen Verhaltensabbruch in den meisten Fällen noch nicht da.

Hier sind beispielhaft ein paar Schritte, die wir bearbeiten, bevor wir das Verhalten auch situativ abbrechen:

  • Führungskompetenz des Menschen stärken
  • Vertrauen des Hundes in die Führungskompetenz des eigenen Menschen vertiefen
  • Handlungspläne für Situationen etablieren, die dem Hund zeigen, dass der Mensch Entscheidungen trifft und für Sicherheit sorgt
  • Vertrauen in andere Hunde im Freikontakt stärken

Und wie löst sich ein Problem dann ggf. von selbst?

Du kennst bestimmt die Aussage: du kannst nur dich selbst verändern, nicht die anderen. Dieses Prinzip meint, dass, wenn du dich veränderst, etwas im System passiert. Das ist unausweichlich. Eine Verhaltensveränderung von dir bringt eine andere Reaktion deines Hundes.

Was, wenn ein Problem noch zu groß ist? 

Wenn der Hund situativ etwas noch nicht leisten kann, kannst du in stellvertretenden Diskussionen deinen Verhaltensabbruch vorbereiten. Du trainierst dann in einfachen Konflikten einen Verhaltensabbruch. Dein Hund lernt dich dabei nochmal neu kennen. Er erfährt, wie klar du kommunizierst, wie konsequent du bist und was du bereit bist zu tun, damit er ein Verhalten abbricht.

Wo fängt das Training mit dem Verhaltensabbruch eigentlich an?

Rein positives Training mit dem Hund ist kaum möglich und auch überhaupt nicht sinnvoll. Aus dem Wunsch, nie etwas Negatives ins Spiel zu bringen, kann sehr problematisches Verhalten beim Hund entstehen. Weil dem Hund die Orientierung fehlt, was unerwünscht ist, baut er oft sein problematisches Verhalten weiter aus und im Alltag müssen immer mehr Situationen „umschifft“ werden.

Deshalb arbeiten wir stets auch im Konflikt und gehen die Themen schrittweise an. Ganz oft erzählen uns unsere eigenen Hunde, was der Hund, der gerade im Training ist, braucht, um sein Verhalten zu verändern. Hunde maßregeln sich untereinander. Und das ist völlig normal für sie. Gut aufgebaute Hunde setzen dabei die richtige Intensität ein.

Hier drei Beispiele für Signale, die als „Strafe“ zu werten sind, wenn der Hund das als unangenehm empfindet, was ich tue: 

1. Der Hund wird an der Leine körpersprachlich begrenzt.

2. Ich nehme das Spielzeug des Hundes weg.

3. Ich lasse den Hund in einem Raum allein.

  1. Das körpersprachliche Begrenzen führt dazu, dass der Hund sich zurücknimmt, wenn er die Energie und die Präsenz im Raum wahrnimmt und respektiert. Er meidet es dann, in meinen Raum zu gehen.
  2. Ich entziehe dem Hund etwas Angenehmes. Die damit verbundene Emotion ist in der Regel Frust oder zumindest Enttäuschung. In der Lerntheorie sprechen wir hier von negativer Strafe. Diese kann vor allem für Hunde, die schnell in Frust geraten, viel unfairer sein, als ein Verhalten mit einer positiven Strafe abzubrechen.
  3. Hier wird dem Hund ebenfalls etwas Angenehmes entzogen. Dazu kommt verstärkend noch die soziale Komponente. Das kann für Hunde, die sehr auf die Co-Regulation durch ihren Menschen angewiesen sind, einfach zu viel sein. Dann entwickeln sich neue Probleme…

Und was ist, wenn ich nicht bereit bin, dass aufzubringen, was es für einen nachhaltigen Verhaltensabbruch braucht? 

Im Idealfall entwickelt sich eure Beziehung wie oben beschrieben und die Probleme werden kleiner oder verschwinden ganz. Mit einer guten Begleitung im Training und Coaching entwickelst du dich selbst weiter und damit verändert sich auch der für dich mögliche Handlungsrahmen.

Trotzdem kann es sein, dass du als Persönlichkeit so aufgestellt bist, dass du deinem Hund nicht das entgegenbringen kannst, was er braucht, um zum Beispiel an der Leine nicht mehr auszurasten. Dann bleibst du im Management. Du entwickelst Handlungspläne für Situationen und gestaltest deine Runden so, dass es für euch beide bewältigbar bleibt.

Das macht dich nicht zu einem unfähigen Hundemenschen. Ganz im Gegenteil. Das macht dich dann zu einem authentischen und fairen Gegenüber für deinen Hund. All dem Hardliner-Gerede zum Trotz ;-).

P.S. wir haben eine neue Community für Hundemenschen auf Skool gegründet. Wenn du Lust, auf mehr interaktiven Austausch mit mir und anderen Hundemenschen, dann schau mal bei uns rein. Wir sind heute schon über 90 Hundemenschen in diesem privaten Raum:

Hundemenschen auf Skool

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